Nur ein Mädchen

(Auszug)

 

Eva-Maria B. steht für eine erstaunliche Biografie. In einem oberfränkischen Dorf als drittes  Kind, aber einzige Tochter eines Landwirt-Ehepaares geboren, wurde sie wie ihre Brüder sehr früh von den Eltern angehalten, mit auf dem Hof zu helfen. Sie war voll verantwortlich für die Hühner und die Stallhasen und musste täglich der Mutter in der Küche helfen. Auch die beiden Brüder hatten feste Aufgaben, nur gab es zu Eva Maria einen Unterschied. Sie waren mit ihrem Leben auf dem Hof einverstanden, Eva Maria hingegen  wollte es hinter sich lassen. Sie war die Beste von allen Geschwistern in der Schule und sie war die Klassenbeste über lange Jahre. Sie war begabt und sie lernte zugleich eisern.

 

...„Du bist doch nur ein Mädchen“, sagte meine  Mutter, wenn sie mich  über den Schulbüchern sitzen sah, „was soll das? Du heiratest und bekommst Kinder und brauchst keine Wissenschaft“ Ich schwieg, wie ich immer schwieg, wenn mir die Eltern meine Bücher, meine ewigen Schularbeiten vorwarfen. Für sie war Lesen oder Schreiben oder Lernen für die Schule keine Arbeit, sondern unnötiger Luxus. Ich wusste nicht so genau, was ich wollte, aber sehr genau, was ich nicht wollte: dieses Landleben mit der unendlichen  täglichen Arbeit, die einem keine Zeit ließ für irgend etwas anderes .Männer wie Frauen alterten durch die tägliche Überanstrengung früh. Dann diese Vernunftheiraten: armer Bauernsohn heiratet reiche Landwirtstochter oder zwei reiche Bauernkinder heiraten, damit  sich der Hofbesitz verdoppelt, aber die  Tochter eines armen Bauern hat keine Chance, einen reichen Bauern zu heiraten, immer nur einen armen. Genau so war das Leben unserer Eltern gewesen: früh abgearbeitet und krank, abgerackert und hoffnungslos wie unser Vater, depressiv und psychisch gestört wie meine Mutter. Ich wollte nicht so leben wie meine Eltern, nicht so dumpf schicksalsergeben sein wie meine Brüder. Ich konnte das nur mit wahnwitzigem Einsatz schaffen. Klar, ich half weiter auf dem Hof mit und dann kochte ich in den letzten Schuljahren auch, weil meine Mutter angefangen hatte zu trinken und von Monat zu Monat mehr verfiel und nichts mehr auf die Reihe brachte. Manchmal schlief ich über den Schularbeiten ein, wachte nach Stunden mit dem Kopf auf dem Schreibtisch wieder auf, aber ich hielt durch. Im selben Monat, in dem ich das  Abitur  bestand, zog meine Mutter von zu Hause aus. Natürlich nicht  wegen meines Abiturs, ich glaube, das hat sie in ihrem Alkoholismus überhaupt nicht mehr wahrgenommen, aber es ging einfach nicht mehr. Vater und wir Kinder hatten immer wieder mit ihr wegen des Alkohols gestritten, aber das war völlig sinnlos. Sie trank sich um ihren Verstand und sie trank sich auch  um unsere Liebe zu ihr. Wir hatten nachher nur noch Verachtung für sie übrig und deshalb zog sie wohl aus. Sie hat dann lange ziemlich kümmerlich und verkommen in einer Einzimmerwohnung gehaust.

Das landesweit beste Abitur ihres Jahrgangs brachte Eva Maria ein Stipendium der bayerischen Landesregierung ein. Sie belegte das Fach Veterinärmedizin und absolvierte ihr Studium  in kürzester Zeit mit den besten Noten. Dadurch konnte sie ihrem Dr. vet. noch ein Zweitstudium anhängen, denn aufgrund der fantastischen Zeugnisse erhielt sie erneut ein Stipendium. Sie wollte zusätzlich  Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Umwelt studieren. Doch völlig unerwartet holte sie zu diesem Zeitpunkt die Familie zurück nach Hause .........

 

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